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Das Lied der Arktis - Bérengère Cournut

Die Macht der Worte und Lieder


Als Uqsuralik erwacht, bricht gerade ihre Welt zusammen und das Eis unter ihren Füßen auf. Die junge Inuit wird von ihrer Familie getrennt und kann sich nur mit einem Bärenfell und einem Rudel Hunde auf das nächste feste Land retten. Inmitten der Arktis ist sie nicht allein. Neben wilden Tieren trifft sie auf andere Nomadenfamilien und damit auf neue Freunde und Gefahren.

 

Der Roman ist faszinierend, der Erzählstil irritierend. Die Autorin hält sich nicht mit langen Schilderungen auf. Die Handlung schreitet rasend schnell voran. Das Buch ist aus der Ich-Perspektive der jungen Inuit Uqsuralik erzählt und trotzdem hat man als Leserin nicht den Eindruck, die wirklichen Gefühle der Protagonistin ergründen zu können. Sie scheint so rau und spröde wie die Welt in der sie lebt. Und doch leuchtet auch die Faszination und Schönheit darin durch, die die Arktis so faszinierend machen. Eine Tiefe bekommt die Protagonistin insbesondere in den Kapiteln, in denen es um die Geister geht, die alles umgeben.

 

Unterbrochen werden die Schilderungen durch Lieder. Und hier ist es in der Tat ein Jammer, dass das Medium Buch hier an seine Grenzen stößt.

 

Bis ins 19. Jahrhundert hinein, in dessen Anfängen der Roman wohl zeitlich angesiedelt sein könnte, hatten die Inuit keine Schrift. Geschichten wurden mündlich weitergetragen und in Gesängen erzählt. Auch Meinungsverschiedenheiten und Meinungskämpfe wurden in Gesangsduellen ausgetragen. Rap-Battles sind also keine Erfindung der Neuzeit. Diese Szenen im Buch fanden meine besondere Faszination.

 

Der Roman zeigt einen Einblick in eine Lebensweise, die heute weitestgehend verloren scheint und ist daher auch anthropologisch interessant. An der einen oder anderen Stelle hätte ich mir ein bisschen mehr Gedankentiefe gewünscht, aber vielleicht ist es vielmehr so, dass das raue Leben in den arktischen Breiten damals keine tiefgehenden Gedanken über sich selbst zuließen, da man schlichtweg mit dem Überleben beschäftigt war.




Titel: Das Lied der Arktis

Autorin: Bérengère Cournut

Originaltitel: De pierre et d`os

aus dem Französischen von Stefanie Jacobs

erschienen im Ullstein Verlag (2020)

ISBN: 978-3-550-20097-7

Die Rechte und das Copyright am Cover liegen beim Ullstein Verlag.

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